Weihnachten wie daheim
- Clowns im Einsatz
Karin Nagele alias Clownin Aloisia berichtet von einem besonderen Weihnachtsbesuch in einem Pflegewohnheim.
Vor nicht allzu langer Zeit, kurz vor Adventbeginn, besuchten Luise und Aloisia ein großes Seniorenheim in Kärnten. Fast 80 Seniorinnen und Senioren verbringen dort trotz aller aktuellen Umstände wohlumsorgt und zufrieden ihren Lebensabend. Allerdings war dieser Tag kurz vorm ersten Adventsonntag wahrlich alles andere als einladend. Nebel, etwas Wind, recht tiefe Temperaturen und das erste Eis auf den Straßen, um sich ja rechtzeitig vor dem Besorgen der Weihnachtsgeschenke und dem Keksebacken den Knöchel zu verstauchen. Von der Sonne war natürlich weit und breit keine Spur.
Im Seniorenheim war es ruhig, alles ging seinen Gang, doch als die Clowninnen entdeckt wurden kam allerorts Freude auf und Bewegung ins Haus. Luise und Aloisia hatten nämlich eine selbstgemachte Handarbeit dabei, eine gehäkelte Glocke in strahlendem Weiß, glitzerndem Rot und selbstverständlich weihnachtlich dekoriert. Vor allem die Heimbewohnerinnen bewunderten das Kunstwerk, das von Aloisia höchstpersönlich angefertigt wurde. Die Männer überprüften sogleich die Funktionalität dieser Glocke, um dann festzustellen, dass der Klöppel fehlte. „Die Glocke läutet ja gar nicht! Das müssen wir selbst tun“, ordnete ein pensionierter Techniker an und imitierte sogleich eine Glocke. Da er tief intonierte, stellte er fest, die Pummerin in Wien nachgemacht zu haben. Luise und Aloisia waren natürlich derselben Meinung und sangen dann halt in Ermangelung des Glockengeläuts mit den Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses „Kling Glöckchen, klingelingeling, Kling Glöckchen, kling“. Die Textsicherheit der Seniorinnen und Senioren war überragend, Luise und Aloisia versuchten sich spätestens ab Strophe zwei häufig als weihnachtliche Dichterinnen.
Gegen Ende des Besuches standen Luise und ihre Tante Aloisia in einem Aufenthaltsraum, in dem ein Großteil der Bewohnerinnen und Bewohner dieses Stockwerks bereits auf das Mittagessen wartete. Natürlich wurde wieder feierlich der Advent eingeläutet bzw. eingesungen, schnell wurde auch der Wunsch nach weiteren Weihnachtsliedern laut. Während Luise die Liedwünsche persönlich einsammelte, stand Aloisia neben einer Frau, die ein Lied vor sich hinsummte und manchmal sogar ganz leise sang. Es war kein hierzulande bekanntes Weihnachtslied, auch nicht in deutscher Sprache. Da wurde Aloisia hellhörig, hatte sie doch einige Jahre nicht weit weg vom Nordpol, bei den Rentieren, gelebt. Ganz leise und doch erkennbar, sang die ältere Dame „Et barn er födt i Bethlehem“, was so viel bedeutet wie, dass in Bethlehem ein Kind geboren wird. Aloisia hatte in ihrer Zeit nahe dem Nordpol tatsächlich auch Norwegisch gelernt. Also kniete sie sich hin, um der älteren Dame in die Augen sehen zu können, da sie ziemlich gebückt in ihrem Rollstuhl saß. Die beiden Frauen hielten einander vorsichtig die Hand.
Bei Strophe drei stieg Aloisia schließlich ein und sang auch ganz leise und sanft mit. Tränen fanden sich alsbald in den Augen der beiden Leise-Meistersängerinnen wieder, während die verbliebene Gesellschaft lautstark mit Luise „Ihr Kinderlein kommet“ zum Besten gab und ebenfalls viel Freude hatte. Um Aloisia und die Frau aus Norwegen hingegen hatte sich im großen Speisesaal so etwas wie eine unsichtbare Blase, eine Christbaumkugel voll mit friedlicher, freundlicher und beseelender Weihnachtsstimmung gebildet. Die Frau erzählte langsam, aber mit fester Stimme von ihrer Heimat, ihren Kindern, ihre Übersiedelung nach Kärnten, und wie gerne sie auch jetzt noch die Weihnachtslieder ihrer Kindheit singt. „Ich wünsche mir bitte „Paa laaven sitter julenissen“, bat Aloisia feierlich und die Dame aus Norwegen musste lachen. „Natürlich das frechste Weihnachtslied von allen“, erwiderte die Dame und lächelte freundlich. Es handelt vom Weihnachtsmann oder Weihnachtszwerg (Julenisse) und seinen Aufenthaltsorten. Bevorzugt sitzt Julenisse auf dem Dach, dem Schuppen, dem Dachboden oder irgendwo oben im Haus. Aloisias Wunsch wurde erfüllt, gemeinsam besangen die Dame aus Norwegen und Aloisia den frechen Julenisse, und irgendwie war in diesem Moment schon Juleaften (Weihnachtsabend) für die Beiden, obwohl die erste Adventkerze erst einige Tage später angezündet wurde.