ROTE NASEN Clown-Sein 1994 und 2024

05.August 2024
  • ROTE NASEN Interviews

Wie war Dein erster Clowneinsatz?

Der erste Clowneinsatz führte mich ins jetzige Donauspital, damals haben wir gleich alle Kinderstationen an einem Nachmittag besucht und waren  6 Stunden ohne Pause unterwegs.

Viel zu viel, um auf alle Kinder eingehen zu können, das ist aus jetziger Sicht klar.

Und um ehrlich zu sein, war ich maßlos überfordert, weil wir ja alle miteinander diesen Beruf in Österreich erst neu definiert haben und es keine Vorbilder gab. Mit meinem Clownpartner haben wir mit viel Enthusiasmus, voller power und all unserem (damals spärlichen) know how versucht, gute Stimmung zu verbreiten.

Im Vergleich zu jetzt, wo es ein Curriculum für unsere neuen Clowns gibt, wo Clowns einen erfahrenen Mentor zur Seite haben, war es in unseren Anfängen ein intensives learning by doing, das jetzt als Basis für unser Wissen zur Verfügung steht.

In diesen Anfangsjahren mussten wir ROTE NASEN in den Einrichtungen sehr viel um Akzeptanz kämpfen. Klar, es war ja für alle etwas gänzlich Unbekanntes, dass Clowns in Spitäler gehen! Wir, die ersten ROTE NASEN Clowns hatten ja kein Davor, wir mussten erst unseren Platz suchen und finden: Also, wo und wie können wir unsere Mission am besten leben? Das haben wir in den 30 Jahren wunderbar gelöst.

Und wie ist es heute für Dich?

Ich habe jetzt 30 Jahre Erfahrung, habe ganz viele tolle Workshops erlebt, viel gesehen und gelernt, ich habe einen Rucksack an Tools, ich vertraue auf mein Wissen und meine Intuition.

Ich erlebe so viele schöne, lustige und berührende Momente und Begegnungen, das ist eine große Kraftquelle! Jede Begegnung ist anders und fordert mich und bereichert mich und meine Clownfigur. Das tolle ist, ich lerne nie aus.

Natürlich hat sich auch das Gesundheitswesen selbst enorm gewandelt. Der Umgang des Personals untereinander und mit den Patient*innen hat sich geändert. Das ist für alle bereichernd. Institutionen sind offener für Input von außen, wir Clowns sind in unseren langjährigen Einrichtungen echte Partner geworden und unterstützen einander. Gesundheit und Krankheit werden anders betrachtet als früher. Wir sind nicht mehr Spitalsclowns, sondern Gesundheitsclowns. Aus „Krankenkasse“ wurde „Gesundheitskasse“. Und auch die Verweildauer der Patient*innen im Spital, vor allem bei Kindern hat sich stark verringert. Das waren damals oft Wochen. Das hat auch eine eigene Atmosphäre geschaffen. Und, auch sehr schön, wir treffen jetzt auf Ärztinnen und Ärzte, die selbst Ukulele spielen. 
 

War Gesundheitsclownerie damals schon institutionalisiert? Gab es hier entsprechende Ausbildungsprogramme für Euch?

Das Arbeiten an der Professionalität war für uns Clowns das Um und Auf, von Anfang an. In Österreich gab es und gibt’s bis heute keine Clownschule. Das mussten wir uns erarbeiten, aber da war so ein Pioniergeist, wir waren hungrig auf Ausbildung!

Unser damaliger Künstlerische Leiter Giora Seeliger hat selbst viel unterrichtet und dann die Internationale Schule für Humor gegründet (die übrigens noch immer besteht. Hier werden jetzt Weiterbildungen für alle ROTE NASEN Clowns aus den Partnerländern angeboten). Wir haben mit vielen großen internationalen Lehrer*innen gearbeitet. Eine gemeinsame Ausbildung war sehr wichtig, da die Künstler*innen alle aus verschiedenen Disziplinen zu uns kamen: Vom Theater, Zirkus, aus der Musik, Straßenkunst oder Performance mit mehr oder weniger Erfahrung aus der Clownerie. In unserem jetzigen Ausbildungsprogramm legen wir gleich von Anfang an großen Wert auf eine „gemeinsame CLOWN Sprache“.

Was ist das für ein Gefühl, wenn Du den Verein mit seiner Entwicklung heute betrachtest?

Ich bin stolz darauf, was entstanden ist, was wir da auf die Beine gestellt haben und dass so viele Leute daran interessiert waren und noch immer sind. Das ist wirklich toll! 

Was mir besonders gefällt: dass alle Menschen, die bei ROTE NASEN arbeiten, das mit derselben Begeisterung tun, wie wir es vor 30 Jahren gemacht haben. Die Motivation für diese Arbeit ist dieselbe, ohne dass man das groß herumposaunt. Es scheint so ein Glitzerstaub in der Luft zu liegen, von dem alle etwas mitbekommen und aus dem jede/r seine eigene Kristallwelten macht. Die Freuden und Anstrengungen von heute und damals sind ähnlich. Durch die neuen Kolleg*innen werde ich oft an damals erinnert. Die Fragen der jungen Clowns zu Beginn sind ganz ähnlich wie meine, da ist es schön, Hilfestellung anbieten zu können.

Welche Fragen sind das?

Zum Beispiel beschäftigt neue Kolleg*innen immer zuerst, genauso wie uns damals, was passiert, wenn ich in ein Zimmer komme, wie schnell muss ich wissen, was ich tue? Wie schaffe ich alles, was gleichzeitig um mich herum passiert, zu sehen, zu integrieren, in mein Spiel einzubauen?

Dafür braucht es Erfahrung und Vertrauen. Man muss lernen abzuschätzen, was es braucht oder eben nicht: Was erfordert die Situation, mein Gegenüber, wie integrieren wir unser Publikum, wie reagieren wir auf Unterbrechungen (wir sind ja nicht auf einer Bühne, es kann jederzeit jemand ins Zimmer kommen etc.) Wie kann man spielerisch mit einem NEIN umgehen, denn auch in einem NEIN findet Begegnung statt.

Neben Deiner Funktion als künstlerische Leiterin eines ROTE NASEN Teams, bist Du auch noch als Zitronella im Einsatz, richtig?

Ja, ich bin noch als Clownin Fräulein Zitronella aktiv und das ist meine Kraftquelle! Ich bin beglückt, wenn ich in mein Kostüm schlüpfe und egal, wie es mir vorher geht, ein Clowneinsatz macht mich so lebendig und rettet jeden noch so anstrengenden Tag!

Ich finde es äußerst wichtig, auch und gerade in meiner Funktion - seit 2016 bin ich auch regionale künstlerische Leiterin des ClownTeam Süd - noch mittendrin in der Clownarbeit zu sein. Ich vergleiche mich da gerne mit einer Bäckersfrau, die sich um den Verkauf, die Buchhaltung und den ganzen Laden kümmert, aber auch noch weiß, welche Zutaten im Brot sind und es jederzeit selbst backen kann. Ansonsten passiert es schnell, dass man den Bezug zur Realität und Machbarkeit verliert. 

Wo liegt der größte Unterschied zwischen damals und heute?

Heute sind wir Gesundheitsclowns, das ist neu, davor waren wir Clowndoctors. Wir haben den Doctor zum Clown dazu genommen, um zum System zu passen, dazuzugehören. Mittlerweile sind wir selbstbewusst genug, zu sagen, ja wir kommen als Clown, wir sind keine Ärzte und legen so auch den weißen Mantel ab. 

Wir bezeichnen uns selbst als Begegnungskünstler*innen denn ja, es ist eine Kunst, sich zu begegnen. Damit ist eine große Qualität dazugekommen. Lachen tut gut, aber auch andere Gefühlsäußerungen dürfen ihren Platz haben: Angst, Wut, Weinen, alles ist erlaubt. Wir nehmen das auf und transformieren es - im Idealfall zu Momenten von Leichtigkeit und Freude. 

Was wünschst Du dem Verein?

Ich wünsche vielen Menschen Begegnungen mit ROTE NASEN Clowns. Überall wo es zu einer Deeskalation kommen soll, da sollten wir hin. Das sind z.B. alle Orte, wo Leute warten müssen. Ich merke es in Ambulanzen, wie man diese angespannte Energie umwandeln kann und wie die Leute dann plötzlich miteinander ins Gespräch kommen und oft ihre Anspannung loswerden. 

Ein ganz wichtiger Faktor wäre für mich auch der Ort Schule: In Israel gibt es das schon, dass Clownduos Sprechstunden für Schüler*innen haben und damit Entspannung und ein Aufatmen in den Schulalltag bringen. 

Wir sollten alle nie vergessen: Der Mensch kommt ganz zur Welt, es gibt nicht nur Frust oder Krankheit, es gibt auch das andere, das Gesunde. Und so vereint auch der Clown alles in sich, das Hinfallen, aber auch das Aufstehen und mit dieser lebensbejahenden Energie könnten wir die Welt ein wenig friedvoller machen.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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