Weltalzheimertag: Interview mit Christina Matuella

21.September 2022
  • ROTE NASEN Interviews

Christina Matuella im Interview

Am 21. September ist Weltalzheimertag. Wir haben Christina Matuella, Operative Künstlerische Leitung bei ROTE NASEN, zum Interview gebeten. Sie ist als Clownin Waltraud in Spitälern oder Pflegeeinrichtungen unterwegs. Hier gibt sie spannende Einblicke in die Arbeit der Clowns mit Menschen mit demenziellen Erkrankungen.

ROTE NASEN Clowndoctors und das Thema Demenz und Alzheimer - wie passt das zusammen?

Grundsätzlich ist die Arbeit mit Senior*innen und älteren oder pflegebedürftigen Menschen ein fixer Bestandteil der Arbeit der Clowns bei ROTE NASEN Clowndoctors. Wir kommen mit dieser Krankheit, mit dem Spektrum an demenziellen Erkrankungen, bei dem Alzheimerdemenz eine Form davon ist, immer mehr in Berührung.

Nachdem wir lange viele Felder, in denen Humor gebraucht wird und Clowns ihren Beitrag in diesem Gesundheitssystem leisten können, abgedeckt haben, ist bei uns das Bedürfnis entstanden, uns bei verschiedenen Menschen mit besonderen Bedürfnissen, die eine sehr verletzliche oder eine noch nicht so unterstützte Gruppe auf Grund ihrer Krankheit sind, in unserer Arbeit in die Tiefe zu gehen. Wichtig ist uns: Was kann die Clownerie gerade in Bezug auf die Clown-Arbeit mit Menschen mit demenzieller Erkrankung bewirken und erreichen?

(c)Elke Schwarzinger

Wie lange gibt es schon Clownbesuche bei älteren Menschen oder Menschen mit Demenz?

Im Bereich Senior*innen gibt es viele Jahre Clownerfahrung. Schon vor 20 Jahren gab es erste Clownbesuche bei dieser Zielgruppe. Aber die Spezifizierung Demenz ist immer mehr dazugekommen. Vor 2 ½ - 3 Jahren sind ROTE NASEN gefragt worden, an einem EU-Projekt, mitzuwirken, das von ROTE NASEN International angesucht wurde. Das Projekt nennt sich Clownexus (Clowning connects us)*.

Was genau ist das EU-Projekt ClowNexus und was sind deine Aufgaben darin?

Die Fragen im Rahmen dieses Projektes waren, was wir mit der Clownerie erreichen wollen und wo wir uns vertiefen können. Letztendlich hat man sich im Projektteam auf zwei Felder geeinigt. Das eine ist die Arbeit mit Menschen im Autismusspektrum, vor allem Kinder und Jugendliche und das andere die Arbeit, bzw. was die Clownerie wirklich an Lebensqualität, an Begegnung speziell mit Menschen mit Demenz ermöglicht.

Sechs Partnerländer von ROTE NASSEN International und der European Federation of Hospital Clowns (efhco) haben mit diesem Projekt eine Zusammenarbeit begonnen (Österreich, Kroatien, Spanien, Litauen, Finnland und Ungarn). Jeweils drei Länder stellen für einen Bereich diese künstlerische Verantwortlichkeit und die sind für die Erforschung unserer Möglichkeiten, mit Menschen mit demenzieller Erkrankung Österreich, Spanien und Ungarn. Ich bin hier gefragt worden, die künstlerische Verantwortliche für dieses Projekt zu sein.

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Welche spannenden Erkenntnisse gibt es bereits von ClowNexus?

Unsere Clownbesuche bei Menschen mit Demenz werden momentan mit Fragebögen begleitet. Das heißt, Angehörige, Personal und Clowns füllen nach jedem Besuch Fragebögen aus, um festzustellen und auch möglichst objektiv zu evaluieren, wie der Besuch wirkt.

Wir arbeiten hier auch immer wieder mit Expert*innen zusammen wie Psycholog*innen und Musiktherapeut*innen. In einem ersten Schritt fokussierten wir uns auf das Thema Harmonie. Wir haben uns bei den Clownduos auf kleine Choreographien, auf synchrone Bewegungen, auf ein ganz sensibles Arbeiten im Erforschen geeinigt. In dem Zusammenhang haben wir auch festgestellt, dass viele Menschen, je nach dem in welcher Stufe der Demenz sie sich befinden, den Blick in die Ferne halten oder viele Menschen einfach ihren Blickwinkel nach unten richten.

Als Clowns lassen wir uns daher auf den Radius der Menschen ein. Also wenn jemand in erster Linie auf den Boden schaut, arbeiten wir mit besonderen Kostümteilen, zum Beispiel schönen Schuhe oder etwas Glitzerndem. Um sich auf das Gegenüber bestmöglich einzustellen, zeigen zwei Clowns synchron miteinander eine kleine Bewegungsabfolge mit einer Melodie.

Eine große Erkenntnis ist, dass die Musik, das Abholen der Menschen über Klänge, gut ankommt. Alte Volkslieder, alte Schlager sind ein Liedgut, wo Menschen wieder eintauchen und sich sogar an ganze Liedtexte, an Textteile erinnern, summen und mitsingen. Hier ist auch das Personal sehr verblüfft, welche Vitalität und welche Lebendigkeit aufkommt.

Im letzten halben Jahr ging es im Projekt ClowNexus auch um das Erforschen, wie ich als Clown Objekte oder Gerüche einbauen kann und wie ich Menschen einlade, selbst wieder aktiv zu werden. Ich war bei einem Clownbesuch dabei, wo die Clowns mit einer kleinen Gruppe von Senior*innen Kaffee gekocht haben und allein das Schütteln einer Kaffeedose, das Herumreichen und Riechen von Kaffee, weckte Erinnerungen.

(c)Elke Schwarzinger

Kannst du dich an ein spezielles Erlebnis, eine berührende Begegnung, erinnern?

Ich habe einen ganz schönen Moment erlebt, da war ich mit einer Kollegin bei einem Clownbesuch und sie hatte einen Samtschal mit. Wir trafen im Gang auf eine Frau mit einem Rollator und wir standen nah bei ihr und auf einmal greift sie den Schal an und fühlt das Samt und sagt: „Sie sind so schön und Sie haben ja Samt“. Die Dame hat auf einmal wieder die Begrifflichkeiten gewusst.

Möchtest du abschließend noch etwas sagen?

Es ist immer herrlich, Menschen lachen zu sehen und ein bisschen zu dem Wohlgefühl dieser Menschen beitragen zu dürfen. Wann immer ich mit einem unserer Clowns rede, egal ob jung, mittel jung oder an Dienstjahren lange beim Verein dabei, höre ich noch immer, dass die Arbeit mit den Menschen am schönsten ist.

Fotos: Elke Schwarzinger

*ClowNexus ist kofinanziert durch das Programm Kreatives Europa der Europäischen Union.

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