Humor in der Pflege

10.September 2024
  • ROTE NASEN Interviews

Martin Beck ist seit 2001 als Clown Igor für ROTE NASEN im Einsatz und hat schon zahlreiche HIP (Humor in der Pflege)-Workshops für Menschen in pflegenden Berufen gehalten. Im Interview erzählt er uns mehr über Humor im Pflegealltag.

Was ist „Humor in der Pflege“ (HIP)?

Beim ROTE NASEN Format „Humor in der Pflege“ geht es darum, unser Know-how zum Thema Humor in den Berufsalltag anderer Menschen zu bringen, hauptsächlich in den der Pflege. Denn vor allem im Pflegealltag kann Humor eine große Wirkung erzielen. Zudem können wir damit ein noch besseres Verständnis für die Arbeit der ROTE NASEN generieren. 

Und was kann man sich genau darunter vorstellen?

Es kann zum Beispiel darum gehen, Pflegepersonen kleine Tricks und Tools, die wir aus dem Clownseinsatz-Kontext kennen, in Workshops zugänglich zu machen. Sie lernen in der Praxis, wie sie Stimmungen im Raum aufheitern können und erfahren zudem auch etwas über die Theorie des Humors. Wir versuchen, ein Verständnis zu generieren, welch positive Wirkung Humor sowohl in der zwischenmenschlichen Kommunikation als auch für ein produktives Arbeitsklima haben kann. Denn Humor kann die Freude am Arbeiten im Team positiv beeinflussen. Unsere Humor-Workshops sind demnach auch hervorragende Teambuilding-Events. Wir versuchen, Humor für die Teilnehmer*innen am eigenen Leib spürbar und erfahrbar zu machen. Sie sollen feststellen, dass sie sich nach einem Workshop energetisiert und belebter fühlen. Es gibt ja verschiedene Humor-Theorien und -Arten. In den Workshops schauen wir uns gemeinsam an, welche Formen von Humor sich für den Einsatz zum Beispiel im Krankenzimmer eignen. Denn nicht jede Form des Humors schafft es, Menschen zu empowern. Nur der mit Respekt gepaarte Humor kann seine heilende Wirkung entfalten!

Worauf müssen Pflegepersonen achten, wenn sie vermehrt Humor in den Alltag integrieren möchten?

Humor ist ein spielerischer Umgang mit der Wirklichkeit in einer Art und Weise, die uns erheitert. Es ist ein bei näherer Betrachtungunglaubliches Konzept, weil man ein Bewusstsein entwickeln muss, von dem, was „wirklich und real“ vorhanden ist und dem, was man der sogenannten Wirklichkeit als Bild entgegenstellt. In unseren Workshops geht es auch darum, ein Bewusstsein zu schaffen, wo und in welcher Form Humor angebracht ist. Ich wiederhole mich: Humor kann nur seine positive Wirkung erzielen, wenn er mit Respekt gepaart ist. Nur dann kann er Menschen stärken. Es ist dafür auch wichtig, eine gewisse aufmerksame Wachheit zu entwickeln, um einerseits physische Gegebenheiten im Einsatz-Raum und anderseits physische und emotionale Situationen bei den involvierten Personen wahrnehmen zu können. Wir beschreiben in den Workshops, wie wir Clowns vorgehen, wenn wir ein Zimmer betreten. Wir versuchen den Raum, und die Zimmerbewohner zu lesen, also wahrzunehmen, wie es dem Einzelnen und ihnen untereinander geht. Wir schauen, welche Atmosphäre herrscht und leiten daraus ab, welche Bedürfnisse die Menschen haben. Das ist für uns als Clowns wichtig, aber auch für Pflegepersonen.

Was kann Humor im Pflegealltag bewirken?

Humor kann helfen, Stress abzubauen und Stimmungslagen zu verbessern. Es geht darum, zu spüren, welche Bedürfnisse das Gegenüber hat. Bei einer Mutter, die nervös ist, weil ihr Kind gleich operiert wird, kann Humor eine entlastende Wirkung haben. Wenn sie den Stress weglachen kann, geht es ihr besser und das überträgt sich dann unmittelbar auch auf das Kind. In den Workshops gibt es viele praktische Übungen und Spiele, um Humor zu erfahren und selbst kreativ zu werden. Wir vermitteln darin auch konkrete Tools, die Pflegepersonen ohne umständliche Hilfsmittel gleich am Bett verwenden können.

Was könnten solche Tools zum Beispiel sein?

In jedem Krankenzimmer gibt es zum Beispiel eine Nierenschüssel. Aber was könnte diese sonst noch alles sein? Ein Telefon? Ein Schwimmbad für Vögel? Durch Übungen wie diese erfahren sich die Teilnehmer*innen als kreative Personen und erhalten Impulse, wie sie die Stimmung am Krankenbett, vor allem bei Kindern, auflockern können. Wir beleuchten auch konkrete schwierige Situationen in Rollenspielen und geben Tools an die Hand, mit denen Angst bei Kindern reduziert werden kann. Wenn ein Kind zum Beispiel Angst vor einer Untersuchung oder Spritze hat, könnten beispielsweise zwei Pflegepersonen auf humorvolle Art miteinander interagieren und das Kind zum Zuschauer werden lassen. Somit wurde die Spielachse gedreht, das Kind steht momentan nicht mehr im Fokus, was sehr entlastend wirken kann. 

Es geht also darum, Pflegepersonen theoretisches Wissen und praktische Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie in ihrer Arbeit einsetzen können, um den Alltag durch Humor leichter zu machen und die Stimmung positiv zu verändern.

Genau. Es muss keine spezielle Requisite wie eine Nierenschüssel sein, es kann so gut wie jeder Alltagsgegenstand herhalten. Es geht darum, spielerische Elemente in den Alltag zu integrieren. Auch Geschichten sind sehr wichtig, weil sie Bilder und Emotionen transportieren. Ein Beispiel: Eine Pflegeperson wusste nicht, wie sie mit einem achtjährigen Mädchen umgehen sollte, das alle Untersuchungen und die notwendige Mithilfe verweigerte. Sie fing an zu schreien, wenn sich ihr die Pflegeperson auch nur näherte. Diese Pflegerin fragte einen Clown um Rat. Er gab ihr daraufhin eine kleine Stoffmaus und bat sie, das Mädchen zu fragen, ob es auf die Maus aufpassen könnte. Da Tiere ja im Spital verboten sind, sollte das ein Geheimnis bleiben. Das Mädchen fühlte sich dadurch „respektiert“ . Denn wem vertraut man ein Geheimnis an? Nur einer Person, der vertraut wird und die für würdig erachtet wird ein Geheimnis zu bewahren. Diese „Aufgabe“ hatte zur Folge, dass sich die beiden, wenn sie sich nun trafen, augenzwinkernde, verschwörerische Blicke zuwarfen, die Beziehung zur Pflegeperson verbesserte sich schlagartig. Die Situation entspannte sich, das Mädchen verhielt sich fortan viel zugänglicher. Die Pflegeperson hatte etwas vollkommen Unerwartetes getan und brach dadurch das Eis.

Humor im Pflegealltag kommt also dem Personal und den Patient*innen zugute, oder?

Ja, Humor kann den meist stressigen Pflegealltag für das Pflegepersonal erleichtern und die Arbeitsverhältnisse verbessern. Es geht darum, Humor bewusst und gezielt einzusetzen, um eine positive Wirkung zu erzielen. In letzter Konsequenz kommt eine bessere Stimmung, die durch ein humorvolles Miteinander auf der Station erzeugt werden kann, natürlich den kleinen und auch großen Patient*innen zugute. 

Welche Voraussetzungen braucht ein Team, um für einen Humor-Workshop geeignet zu sein?

Es gibt organisatorische Voraussetzungen, wie zum Beispiel geeignete Räumlichkeiten mit entsprechender technischer Ausrüstung oder eine passende Teilnehmer*innenzahl. Ansonsten ist eigentlich jedes Team geeignet. Es kommt manchmal vor, dass Personen denken, sie hätten keinen Humor und wären daher nicht geeignet. Doch das stimmt so nicht, denn jeder hat auf irgendeine Art und Weise Humor. Oftmals verändern die Workshops auch Perspektiven und Teilnehmer*innen stellen fest, dass sie viel humorvoller sind, als die dachten. 

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