Emergency Smile Ukraine: Interview mit Clownin Rita aus Kärnten
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Marlies Franz alias Clownin Rita besuchte Anfang März mit ihren Kolleginnen Clownin Aloisia und Carmensita geflüchtete Familien aus der Ukraine in einem Containerdorf in Kärnten.
Uns erzählt sie im Interview, wie nahe es ihnen gegangen ist und welche positiven Erfahrungen sie machten.
Wo hat der Emergency Smile Clowneinsatz stattgefunden?
Wir waren in der Betreuungseinrichtung des Bundesministeriums für Inneres für geflüchtete Menschen in Langauen bei Villach. Dieses Containerdorf gibt es bereits seit 2017 und dort finden bis zu 230 Leute Platz.
Wie habt ihr euch im Vorfeld auf diesen Einsatz vorbereitet?
Ich kenne diese Art der Arbeit mit geflüchteten Menschen schon seit 2015. Von daher kann ich aus diesen Einsätzen schon viel Erfahrung und Handwerk mitnehmen. Und trotzdem habe ich mir wegen der aktuellen Situation im Vorfeld des Einsatzes intensive Gedanken gemacht und mir selbst wieder die Frage gestellt, ob es zum jetzigen Zeitpunkt richtig ist als „Clown“ zu den geflüchteten Menschen zu gehen.
Diese Verunsicherung war kurz vor dem Clowneinsatz stark spürbar, jedoch sofort verschwunden, als wir das Gelände betraten und uns eine Frau anlächelte. Unsere Aufregung legte sich augenblicklich und wir wussten sofort, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Mir wurde einmal mehr bewusst, dass es auch die Seele ist, die Erste Hilfe braucht!
Einstimmung unserer Clowninnen vor dem Einsatz im Containerdorf
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VIDEO AKTIVIERENWie kann man sich den Ablauf dieses Clownbesuchs vorstellen?
Wir haben standardmäßig mit einer Parade angefangen und sind zu dritt ein Lied spielend hintereinandergegangen, haben Stopps gemacht und so das Gelände erkundet. Dies ist die Phase des Abtastens. Auf diese Weise merken wir rasch, wer auf uns reagiert. Wir laden ein zu uns zu kommen. So kann jede*r selbst entscheiden, ob er oder sie mit uns in Kontakt treten möchte oder nicht.
Wir sind also mit Musik zwischen den Containern gegangen und auf einmal haben sich die Türen links und rechts geöffnet, und die Menschen haben herausgeschaut. Viele haben sich für diese Art des Willkommenheißens sofort bedankt.
Ich spreche hier aus meiner Erfahrung, da wir 2015 dieselbe Situation erlebt haben. Manchmal brauchen die Betroffenen, vor allem Erwachsene, wegen der furchtbaren Umstände „die Erlaubnis von außen“ Freude spüren und zeigen zu dürfen. Die Freude wird oft zurückgehalten, weil man sieht, wie schlecht es den Menschen rundherum geht. Freude zu zeigen und auszudrücken erscheint unangebracht. Clowns können als Legitimation dienen, Freude zu erleben und stattfinden zu lassen.
Wie war es, als euch die Kinder entdeckten?
Begonnen hat es damit, dass wir Clowninnen angefangen haben, uns im Rhythmus vorzustellen: Aloisia, Carmensita und ich, Rita. Und anschließend die Namen der anwesenden Kinder. Plötzlich sind so viele Kinder da gewesen! Es hat sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Manche Kinder haben ganz schnell andere geholt, bis wir von ca. 25 Kindern und Jugendlichen allen Alters umringt waren.
Wir haben mit den Kindern ganz viele Dinge gemacht, die unter das Schlagwort „Empowerment“ fallen: Nicht wir zeigen ihnen, wie etwas geht, sondern können Aufgaben nur mit ihrer Hilfe schaffen. Die Kinder helfen uns beispielsweise zu zaubern. Bei ihnen funktioniert es, bei uns aber nicht.
Wir haben auch einen „Seiltanz“ gemacht. Clownin Aloisia und ich haben versucht über das Seil zu gehen, während die Kinder und ihre Stofftiere das ganz leicht geschafft haben. So gelingt es aus Alltäglichem etwas Besonderes zu machen und Kinderaugen strahlen zu lassen. Jeder Erfolg wird gefeiert. Natürlich umrahmt von viel Musik. Diese ist ein ganz wichtiger Faktor.
Habt ihr euch diesbezüglich speziell auf den Einsatz vorbereitet, zum Beispiel ukrainische Musik einstudiert?
Ukrainische Lieder haben wir nicht einstudiert, aber es gibt vor allem in der Musik universelle Dinge die in allen Kulturen verortet sind. Oft ist es ausreichend in der jeweiligen Landessprache bis drei zählen zu können und dies musikalisch, rhythmisch zu untermalen. Das Verwenden der Landessprache drückt ein Entgegenkommen aus und „drei“ ist eine magische Zahl in der Clownerie. Alles passiert auf „drei“, oder auch nicht. Weitere Türöffner sind beispielsweise Worte wie „Danke“, „Ja“, „Nein“ und „Auf Wiedersehen“ oder „Hallo“ in der jeweiligen Landessprache.
Schön ist es auch, wenn wir diese elementaren Worte direkt von den besuchten Menschen lernen. Hier haben uns die Kinder die wichtigsten Worte mit Stolz beigebracht.
Musikalisch gesehen spielen wir meistens Loops (wiederkehrende Melodien), wobei vor allem der Rhythmus wichtig ist. So kann man leicht mitgehen, mittanzen und auch einzelne Wörter mitsingen.
War die Ergriffenheit und Rührung der Menschen spürbar?
Ja, sehr. Einige jüngere Mädchen haben zu weinen begonnen während sie sich gleichzeitig von Herzen bedankt haben. Sie haben sich vielleicht dafür bedankt, dass wir da sind oder auch, dass die Tränen fließen durften. Unsere Anwesenheit hat bei ihnen offenbar etwas gelöst.
Was war für dich das schönste Erlebnis in Langauen?
Tatsächlich die Parade, als wir mit Rhythmus und Musik über das Gelände gezogen sind, und ich hinter uns die vielen Kinder, die uns gefolgt sind und mitgemacht haben, gesehen habe. Für mich war ganz viel Kraft und Energie spürbar, nach dem Motto „Kinder an die Macht!“.
Wie sind eure Einsätze dort weiterhin geplant?
Wir haben vor wöchentlich mit mindestens zwei, im besten Fall drei Clowns diese Einrichtung zu besuchen. Derzeit halten sich die Menschen nur kurz in Langauen auf, da es als Erstaufnahmezentrum fungiert bis sie in permanente Unterkünfte gebracht werden. Das bedeutet für uns, dass wir bei jedem Besuch neuen Menschen begegnen und vorerst eine ähnliche Situation vorfinden werden.