Emergency Smile International: Daniel Rüb alias Clown Raimund auf Mission auf Lesbos

06.März 2023
  • Clowns im Einsatz

Daniel Rüb war gemeinsam mit zwei Clown-Kolleg*innen aus Ungarn und Palästina vier Wochen im Einsatz in einem Camp für geflüchtete Menschen auf Lesbos. Das Ziel der Emergency Smile Einsätze ist, einen längerfristigen Kontakt mit den Bewohner*innen des Camps herzustellen, Begegnungen zu schaffen und Leichtigkeit in die Schwere zu bringen. In einem Interview erzählt Daniel Rüb von seiner Zeit vor Ort.

Wie bereitest du dich auf die Zeit in Griechenland vor?

Ich arbeite seit 12 Jahren bei ROTE NASEN als Clown. Der Erfahrungsschatz, den man über die Jahre ansammelt, ist eine gute Vorbereitung. Ich war schon zwei Mal bei Emergency Smile-Einsätzen in Griechenland und Sierra Leone mit dabei. Außerdem besuchen wir auch in Österreich laufend geflüchtete Menschen aus der Ukraine oder anderen Ländern in Erstaufnahmezentren, Notquartieren und längerfristigen Unterkünften.

Bevor es losgeht, braucht es eine gewisse Vorbereitung auf das Land oder die Region, die wir besuchen. Wir haben eine „Preparation Week“ in der wir unsere künstlerischen Angebote genau durchgehen und proben. Wir versuchen uns auch darauf vorzubereiten, wie wir mit Extremsituationen, die uns eventuell erwarten könnten, umgehen. Außerdem bekommen wir einige Schulungen und Cultural Awareness Workshops.

 

Was genau macht ihr vor Ort?

Wir achten ganz genau auf die Bedürfnisse in den Camps und schauen genau hin, was gebraucht wird. Wir haben einige Tools im Gepäck wie Clownpararden, Clownshows und bieten den Kindern auch einen Zirkusworkshop an. Wir arbeiten viel mit Slapstick, Musik und Tanz.

Wir sind natürlich Exoten dort. Wenn wir im Clownkostüm und der roten Nase mit unserer, oft auch musikalischen Parade, durch die Gassen der Container ziehen, fallen wir sofort auf.

Uns ist es sehr wichtig, eine Verbindung zu den Menschen aufzubauen und uns gegenseitig wahrzunehmen.

Auf Lesbos sind wir jede Woche, an vier aufeinanderfolgenden Tagen mit einer Gruppe von Kindern in die bunte Zirkuswelt eingetaucht und haben ihnen viele Zirkustools nähergebracht: Ob Magie, Tellerdrehen, Akrobatik oder Jonglieren. Es war so schön zu sehen, welchen Spaß die Kinder dabei hatten. Bereits nach wenigen Tagen kamen uns die Kinder schon am Tor aufgeregt entgegengelaufen und umarmten uns freudig.  Abschließend gab es eine Abschlussshow, in der die Kinder stolz präsentierten, was sie über die Wochen gelernt hatten.

Außerdem bieten wir einen Humor Relief Workshop an, der sich an Mitarbeiter*innen der NGOs vor Ort richtet. Hier versuchen wir aufzuzeigen, wie man Humor nutzen und wie man ihn auch in stressigen Situationen integrieren kann. Der Workshop bietet einen Raum, in dem sich die Mitarbeiter*innen, die vor Ort so viel leisten, mal fallen lassen können und ins Lachen kommen. Wir bekommen viel positives Feedback, wie wichtig unsere Arbeit ist und dass ein Angebot wie das der ROTE NASEN noch gefehlt hatte.

An dieser Stelle auch ein DANKE u.a. an Movement on The Ground und Euro Relief für die großartige Zusammenarbeit vor Ort.

Wie geht ihr mit der Sprachbarriere um?

Der Clown kann sehr gut ohne Sprache und über den Körper Geschichten erzählen und Verbindungen eingehen, wie zum Beispiel durch Tanz. Auch während unserer Clownshows liegt der Fokus auf Körpersprache.

Wie verarbeitest du die Zeit?

Die Bilder und Situationen, die wir dort tagtäglich mitbekommen, sind natürlich schlimm. Sie werden etwas erträglicher, wenn wir am Ende des Tages merken, was wir verändert haben, wie die Stimmung sich gewandelt hat, dass wir etwas Freude und Leichtigkeit in das Camp bringen konnten und dass die Kinder und deren Eltern sich für eine kurze Zeit erholen konnten.

Was war dein schönster/berührendster Moment?

Wie bereits erwähnt, haben wir einer Gruppe von Kindern über Wochen einen Zirkus-Workshop angeboten. An unserem letzten Tag haben wir vor der Schule auf die Kinder gewartet, um uns zu verabschieden. Dieses Mal war aber alles ein wenig anders: Die Kinder kamen aufgeregt auf uns zu und erklärten uns, sie hätten dieses Mal etwas für uns vorbereitet. Sie deuteten auf ein Bettgestell, das wenige Meter von uns stand, worauf wir uns setzen sollten. Dann drehten sie sich weg und tuschelten geschäftig miteinander. Wenige Augenblicke später ging es dann los: die Kinder führten uns dieses Mal eine Clownshow vor. Und zwar mit all jenen Elementen, die wir in den letzten Wochen trainiert hatten: Slapstick, Musik, Gesang, Jonglage, die ganze Zirkuspallete eben. Wir Clowns saßen also auf dem Bettgestell und beobachteten die Überraschungs-Show - beeindruckt und zutiefst berührt.

Dahinter steckt nämlich viel. Wir hatten über die Wochen eine enge Bindung zu den Kindern aufgebaut, die Kinder fühlten sich gestärkt, eigenverantwortlich selbst eine Show zu überlegen.

An einem anderen Tag hatte ich bzw. meine Clownfigur Geburtstag, es fehlte nur noch ein Geschenk und alles was wir dabei hatten, war eine leere Box. Aus dieser Box holten wir dann nach und nach alle möglichen Ideen, Fantasien oder Träume heraus und erzählen uns gegenseitig, was es sein könnte, wie zum Beispiel ein Fahrrad, ein Teddy, was auch immer unsere Clown- und Kinderherzen begehrten. Diese leere Box haben wir dann während der Show an die Kinder weitergereicht. Sie zeigten uns pantomimisch viele schöne Gegenstände. Ihre Imagination war angeregt und so manch noch unerfüllter, erträumter Wunschgegenstand wurde aus der Box herausgezogen und bereitete ihnen im Spiel Freude.

Glaubst du, eure Anwesenheit hat auch einen nachhaltigen Effekt?

Ich glaube schon, dass die Anwesenheit von uns Clowns auch eine nachhaltige Wirkung nach sich zieht. Bei unserer Abschlussparade beispielsweise, kurz bevor wir das Camp verließen, haben wir ein Lied gesungen. Nachdem wir uns umgezogen hatten und uns schließlich „in zivil“ auf den Weg zum Haupteingangstor machten, hörten wir in einer der Gassen des Zelt-Camps eine Gruppe Kinder genau dieses Lied singen, das wir noch wenige Minuten vorher gespielt hatten. Es war sehr berührend zu sehen, dass unsere Anwesenheit so nachklingt. Im wahrsten Sinne.

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