Eine kurze Weile Leichtigkeit

06.Mai 2021
  • ROTE NASEN Interviews

Christian Sommer alias Clown Bernhart erzählt von seinen berührenden Erlebnissen auf einer Kinder-Intensivstation.

Es ist ein Freitagvormittag und wir besuchen die Wartebereiche mehrerer Ambulanzen eines großen Wiener Krankenhauses. An manchen Tagen werden wir gebeten, auch auf der Intensivstation Kinder zu besuchen. So auch heute. Wir, das sind an diesem Morgen meine Clownkollegin Lotte und ich, Bernhart.

Wir atmen einmal tief durch, bevor wir die Inten­sivstation betreten. Durch die oft dramatischen Schicksale der kleinen und großen Patient*innen fühlt man eine bleierne Schwere, die die Station umhüllt. Die Tür zum ersten Zimmer schnurrt automatisch auf. Uns empfangen viele erwartungsfrohe und zwei etwas verängstigte Augen. Wir hören ein leises Wimmern, das zu den verängstigten Augen gehört. Dazu ein kleiner, ziemlich dünner, auf jeden Fall kraft­loser Körper.

Wir stehen in der Tür und versuchen unser leisestes »Hallo«. Lotte: Hallo. Ich: Hallo. Wir bemerken, es ist ein Hallo zu viel. Lotte schreitet deshalb zurück aus dem Raum und ich bleibe. Jetzt ist es gut.

Ich weiß nicht, wer in dem Moment zaghafter ist. Der kleine Mann, weil jedes »Zuviel« und »Zulaut« ihn erdrücken würde – oder ich, weil ich den vorsichtig gewebten Faden von Neugier und Akzeptanz um keinen Preis zerreißen möchte. Dann wage ich mit mehr Mut eine Annäherung. Ein paar gezupfte Töne auf der Ukulele. Ein Lied. Und große Augen. Und ein Lächeln. Momente großer Nähe zwischen Mama, Bruder und Kind. Ich bin im Hintergrund und das ist gut so: Die letzten Töne des Liedes verklingen und ich weiß nun, dass ich mich für eine Verabschiedung nähern kann. Es ist noch eine rote Nase da. Aber wir brauchen noch eine zweite – für den älteren Bruder, der mir sicher mit einem Zauberspruch helfen kann. Kann er nicht? Oh.

Da ertönt aus dem zittrigen Körper, zu dem nun glänzende Augen gehören, ein inbrünstig hinausgeflüs­tertes SIMAAALAAAASI. Ein großes Staunen beim Erblicken seiner hervorgezauberten zweiten Schaum­stoffnase. Ein großes Staunen bei uns allen anderen. Und dann gibt er mir noch ein kaum spürbares »High Five« und wirbelt mich so durch die Luft. Und lacht. Viel.

Ich verlasse das Zimmer und suche Lotte auf der Station. Sie ist weg. Ich komme wieder an dem Zimmer des Buben vorbei und sehe sie bei der offenen Tür stehen. Alle reden und kichern. Und ich spüre eine erfrischende Leichtigkeit aus dem Zimmer strömen. Für eine Weile bleibt sie bestimmt.

*Die Fotos in diesem Beitrag sind Archiv-Fotos und vor dem Ausbruch der Covid-19 Pandemie entstanden. ROTE NASEN halten sich an alle gesetzlich vorgeschriebenen Abstands-, und Hygienebestimmungen.

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