Ein Gespräch mit Dr. Hartinger
- ROTE NASEN Interviews
Im Gespräch mit Dr. Hartinger, dem Geschäftsführer der Geriatrischen Gesundheitszentren Graz, erfährt Andrea B. Schramek alias Clownin Flora, wie wertvoll die Arbeit der ROTE NASEN Clowndoctors ist ...
1. Die Roten Nasen besuchen seit über 15 Jahren Menschen in den Geriatrischen Gesundheitszentren. Kannst du dich an die Anfänge dieser Zusammenarbeit erinnern? Wie hast du auf die Idee reagiert, dass ältere Menschen von Clowns besucht werden sollen?
Ich war ja zuerst im LKH Universitätsklinikum und habe es immer genossen, wenn ich die Roten Nasen in der Kinderklinik gesehen habe. Wie ich dann später in der Albert-Schweitzer-Klinik war und auf einmal die Roten Nasen vorbeigekommen sind, habe ich mich im ersten Augenblick riesig gefreut und dann aber gefragt, ob sich die ältere Generation da vielleicht nicht ernst genommen fühlen könnte, ob das ethisch einwandfrei ist und ob das generell bei Älteren auch so gut ankommt, wie bei Kindern. Aber schon nach kurzer Zeit, haben die Roten Nasen das so gut hinbekommen, dass jeglicher Zweifel verflogen war. Ich habe auch hier die Roten Nasen als enorme Bereicherung empfunden. Es gibt im Alter ja nicht mehr so viel, das Freude machen kann. Die Verbindung von Humor mit Musik, so wie ihr das macht, bringt den Menschen Emotionalität. Das ist etwas Besonderes. Bei uns sind ja auch Patienten mit schweren Krankheitsbildern, vielleicht auch in der letzten Lebensphase und da ist es ganz besonders wertvoll, wenn man einem Menschen noch ein Lächeln schenken kann.
Und ich, persönlich, habe mich natürlich sehr gefreut, wenn ihr zu Weihnachten auch bei uns in der Verwaltung aufgespielt habt.
2. Die Roten Nasen waren ja am Anfang nicht in allen Bereichen tätig. 2008 kam die Memory-Station (Demenz-Station) hinzu. Das war einmal ein nächster Schritt, auch dort Erfahrungen zu sammeln. Seit 2012 besuchen wir das Hospiz. Dort versuchen wir mit Patienten und Angehörigen angesichts des absehbaren Todes schöne, liebevolle und auch unbeschwerte Minuten zu verbringen. Und seit 2014 besucht vor allem unser Kollege Joe Hofbauer die Wachkoma-Station.
Ja, das sind vielleicht sogar weltweit die ersten Experimente bei Menschen mit Apallischem Syndrom. Dabei ist das Stammhirn von der Hirnrinde getrennt und es gibt nur wenige Verbindungsstellen. Der Amerikaner würde sagen, der Patient ist im „vegetative state“. Da geht eigentlich nur wenig. Aber in Wahrheit stimmt das ja nicht. Es gibt Berichte von Menschen, die aus dem Koma aufgewacht sind und sagen, sie hätten alles mitbekommen. Sie konnten es nur nicht kommunizieren. Und die Erfolge im Wachkoma-Bereich geben euch ja recht, wie wichtig gerade dort diese Arbeit ist. Das Personal, das ja so eng mit den Patienten verbunden ist, sodass jeder Wimpernschlag registriert und gedeutet werden kann, bestätigt das. Selbst an dieser Grenzerfahrung menschlichen Lebens sind die Roten Nasen also beliebt und können verzaubern.
3. Seit kurzen sind wir nun in weiteren Grazer Pflegeheimen tätig. Rosenhain, Erika Horn, ab und zu im Haus Robert Stolz.
Ja, das sind Langzeitbereiche. Da leben die Bewohner im Durchschnitt 1-5 Jahre. Da verbringen sie ihren Lebensabend in fortgeschrittenen Pflegestufen. Es gibt ja 7 Regressionsstufen und hier, in den letzten Phasen, ist man wieder kindlich erfreut und berührbar und durch Emotionalität erreichbar. Da unterscheiden sich Kinder von Hochbetagten sehr wenig. Ja, auch da könnt ihr gerne jede Woche kommen.
4. Das Motto der Geriatrische Gesundheitszentren ist ja: „Dem Leben mit einem Lächeln begegnen. Hast du das Gefühl, dass über die Jahre die Anwesenheit von Roten Nasen generell in der Klinik etwas verändert hat. Oder war das schon immer klar, dass man Patienten auch in einer Klinik mit Humor begegnen darf?
Ich glaube, das war nur dem Dr. Adler (†) so wirklich klar. Der war sozusagen ein „Rote Nasen-Doktor ohne Nase“. Der hat immer den Zugang zum Patienten über den Humor gesucht und damit war er besonders beliebt und hat viel bewirkt. Aber an sich, hast du völlig recht. So wie die erste Musiktherapeutin, Sara Pabst, bei uns begonnen hat, so ist das mit den Roten Nasen. Das hat schon viel verändert.
Die Leitung versteht das vielleicht oft erst später, weil sie nicht so patientennah arbeitet, wie die Pflegerinnen, Ärzte und Therapeuten. Aber eure Anwesenheit zaubert ja auch bei ihnen freundlich etwas in ihr Herz, bringt Abwechslung in den Alltag und zeigt einen anderen Zugang über die fachliche Ebene hinaus, die oft schneller wirken kann. Es gibt sicher schon wissenschaftliche Studien über die therapeutische Wirksamkeit der Roten Nasen.
Das schaut so spielerisch leicht aus, aber ich weiß ja, dass das hartes, professionelles Training erfordert und viel Wissen, nämlich auch therapeutisches: Wie geht man mit Menschen um. Das ist eine geballte Kompetenz, die liebevoll leicht daherkommt. Und ohne, dass da ein Universitätsprofessor einen Vortrag hält. Ihr schafft dasselbe mit einem ganz anderen Zugang, der die Zusammenarbeit wesentlich erweitert und bereichert.
Das Schöne in den Geriatrischen Gesundheitszentren ist, dass wir gemeinsam mit Vereinen sehr viel bewirken können. Hier gibt es den „Wachkoma-Verein“, den „Hospizverein“, die „Roten Nasen“, Auch die „Bunten Blätter“ haben hier ihren Sitz, sind aber in anderen Häusern tätig. Das Interdisziplinäre an diesem Ort macht ihn auch so besonders. Im März 2021 wir nun auch zusätzlich das Palais Tattenbach als ein„Haus der Wissenschaft und Forschung“ eröffnet. Das könnt ihr dann auch mitbenützen.
Durch die Covid-Krisen bleibt jetzt natürlich so vieles stecken. Es kann nicht fließen zwischen den Menschen. Jetzt, mit den Masken geht da natürlich auf für eure Arbeit viel verloren. Auch mit dem Berühren. Ältere Menschen werden selten berührt und für manche ist euer Besuch ja ein Highlight in der Woche. Die gehen abends ins Bett und sagen: „Heute waren die Roten Nasen da!“. Das geht jetzt im Augenblick auch nicht mehr. Jetzt kämpfen wir vor allem mit der Technik.
Aber auf meinem Tisch steht, direkt neben dem Albert Schweitzer,
eure Sonderbriefmarke zu „25 Jahren Rote Nasen“. Da seht ihr, wie wichtig ihr mir seid. Da schaue ich immer hin – und lächle.