Weltkrebstag 2022 - Die Zebramusik
- Clowns im Einsatz
Es ist Dienstagvormittag. 8.45 Uhr. Innsbrucker Kinder Onkologie. Ich habe bereits mein Kostüm angezogen, eine zu kurze gelbe Hose samt gelbgestreiftem Hemd. Emils Lieblingsfarbe ist ja auch gelb… manchmal auch grün. Dazu eine blaue Weste, Hosenträger, Mittelscheitel und Augenbrauen, die viel zu nah zusammenlaufen. Ich präpariere mich noch mit den letzten Werkzeugen, die für den sogenannten Clib-Einsatz heute vielleicht gebraucht werden könnten: Seifenblasen, Rote Schaumstoffnasen, Zauberutensilien, meine Lachkarten, Spielkarten, Blackie das Zebra und die Kalimba. Ein letzter Blick in den Spiegel und ich bin bereit, Emil das Steuer zu übergeben. Er nimmt es gerne, denn Clib-Einsätze mag er besonders. Emil geht aus der Garderobe und nimmt mich mit auf seine Reise.
Beim heutigen Clownbesuch geht Emil auf die Kinderonkologie und fragt nach, wann, welche Behandlungen stattfinden und vor allem, ob er mithelfen kann. Beim Programm „Clowns im Behandlungsalltag“, kurz Clib, geht nämlich ein Clown mit medizinischem Personal in den Behandlungsraum mit und probiert zusammen mit ihnen, den kleinen Patient*innen die Angst vor Pflastern, Verbandswechsel, Spritzen, Blutabnahme und Punktionen zu nehmen. Besonders bei den Punktionen ins Rückenmark haben viele kleine Kinder Angst. Das Ärzte- und Pflegepersonal tut sich hier auch oft schwer. Vor der Punktion werden die Kinder sediert, das heißt sie bekommen ein Beruhigungsmittel. Allerdings wird auch dieses gespritzt, was oft Angst und Schmerzen bei den kleinen Patient*innen auslöst. Man will der sieben-jährigen Marie ja nicht weh tun, aber bestimmte Behandlungen kann man der krebskranken Marie nicht ersparen. Deshalb ist es manchmal eine schöne Geschichte, wenn Emil auch dabei sein darf.
Bevor Marie in das Behandlungszimmer geholt wird besucht sie Emil in ihrem Zimmer. Nachdem er an der Tür gefragt hat, ob er nach Futter für sein Zebra suchen darf, tritt er ein. Marie ist mit ihrer Mama im Zimmer. Sie folgen interessiert der Suche von Emil, während er erzählt, dass sein Zebra Blackie heißt und am liebsten Äpfel isst. Auf die Frage nach Maries Lieblingsspeise meint sie Pommes. Das kann Emil sehr gut verstehen. Plötzlich findet Emil einen rot leuchtenden Punkt beim Fernseher.
Er zaubert das rote Licht...
... in seine Hände und sagt Marie, dass sie beide vielleicht aus dem roten Licht in seiner Hand einen wunderbaren reifen Apfel zaubern könnten. Natürlich brauchen die beiden noch einen Zauberspruch. Marie hat einen parat: Simsalabim. Und wusch! Aus dem roten Licht ist ein knallroter Ball geworden. Der geht als Frühstück für Blackie durch. Emil und Marie füttern das Zebra mit dem wunderbaren Apfel, als eine nette Pflegerin ins Zimmer kommt, um Marie zur Punktion abzuholen. Sie hat ein bisschen Angst. Die Pflegerin fragt sie, wer denn das nette, kleine Pferd ist. „Das ist kein Pferd, sondern ein Zebra!“, ruft Marie stolz und setzt nach: „Und sein Name ist Blackie.“ „Sollen wir Blackie mitnehmen?“ Marie nickt. „Und sollen wir den Clown auch mitnehmen?“ Marie nickt. Marie, Mama, Emil und Pflegerin gehen zusammen ins Behandlungszimmer. Kurz danach kommen noch ein Pfleger und eine Ärztin.
In dem nicht allzu großen Raum ist es ziemlich voll und man merkt der liegenden Marie an, dass ihre Angst wächst. Auf der linken Seite der Liege ist das medizinische Personal und auf der rechten Seite sitzt die Mama und hält Maries Hand, in der sie auch noch Blackie hält. Während das Beruhigungsmittel und die Spritze vorbereitet wird, schaut Marie noch ängstlicher dorthin. „Ein wenig Entspannung könnte Blackie jetzt guttun!“, meint Emil, der neben der Mama am Boden kniet. Marie schaut abwechselnd Blackie in ihrer Hand und Emil an. „Weißt du eigentlich, woher Zebras kommen?“ Maries Gesicht zeigt wieder ihren stolzen Charakter: „Afrika!“ „Genau. Du bist ja ein schlaues Mädchen. Weißt du auch, welche Musik Zebras gern hören?“ Da ist Marie doch tatsächlich einmal verlegen um eine Antwort. Emil zieht von hinten ein eigenartiges, kleines Brett hervor. Auf dem Brett sind mehrere Metallzungen unterschiedlicher Längen angeschraubt. „Was ist das?“, fragt Marie neugierig, ohne zu bemerken, dass die Spritze schon bereit ist. „Das ist eine Kalimba. Ein Daumenklavier. Das kommt auch aus Afrika so wie Blackie. Hör mal hin.“ Die Ärztin setzt an Maries Arm an, ihre Aufmerksamkeit ist wieder schlagartig bei der Spritze, ihr Gesicht spannt sich an. Emil beginnt mit dem Daumenklavier eine Melodie zu spielen und Marie wendet wieder ihren Kopf. So ein Instrument hat sie noch gesehen. Sie ist ganz verzaubert. Emil spielt weiter. „Glaubst du, das gefällt Blackie?“ Marie nickt.
Emil spielt weiter und weiter und immer weiter. Marie schaut gebannt auf das Daumenklavier. Ihre Augen werden ein bisschen leer und ihre Lider sinken langsam nach unten. Sie ist eingeschlafen. Sie ist jetzt sediert. Emil steht auf, verabschiedet sich still bei Mama und dem Personal und möchte aus dem Raum gehen. Bevor er ganz draußen ist, meint die Ärztin noch mit einem Lächeln im Gesicht und einem zwinkernden Auge: „Bei der Musik wäre ich jetzt ja fast selber eingeschlafen. Danke.“ Emil winkt, geht aus dem Behandlungszimmer und nimmt mich mit auf seine nächste Reise.