Clowns bei Kindern und Jugendlichen im Autismus-Spektrum

30.März 2023
  • Clowns im Einsatz

Im Forschungsprojekt ClowNexus erarbeiten acht europäische Gesundheitsclown-Organisationen Tools für Clownbesuche bei Kindern und Jugendlichen im Autismus-Spektrum. Gleichzeitig werden diese Erfahrungen in der Praxis umgesetzt und vertieft. Das Dreijahres-Projekt wird wissenschaftlich begleitet.

Wir haben Barbara Rebecka Asperger alias Clownin Pimpanella und Marie Mieklau alias Clownin Dagmar zu ihren Erfahrungen mit Kindern und Jugendlichen im Autismus-Spektrum befragt.

Inwiefern unterscheidet sich die Wahrnehmung von Menschen im Autismus-Spektrum von der sogenannter neurotypischer?

Barbara Rebecka Asperger: Die vielen Umwelt- und Alltagseindrücke, die neurotypische Menschen gut selektieren und gewichten können, strömen auf Menschen mit Autismus oft ungefiltert in einer gleichen Intensität ein. Auf Grund ihrer Wahrnehmungsbesonderheit fällt es ihnen schwer, das im Moment Wichtige hervorzuheben und anderes in den Hintergrund zu drängen. Dies kann zu einer großen Überforderung und unglaublichem Stress führen. Daher ist es notwendig ihr Umfeld anders zu gestalten.

Marie Mieklau: Wir können leichter den Fokus auf eine Begegnung, auf ein Gespräch haben. Für sie ist alles gleich. Wenn im Hintergrund viel los ist oder Musik läuft, die für zusätzliche Eindrücke sorgt, erschwert das die Begegnung. Darauf müssen wir als Clowns achten. Und da ist jeder Mensch im Spektrum unterschiedlich. Bei manchen ist es das Akustische, bei anderen das Visuelle.

Barbara Rebecka Asperger: Soziale Untertexte sind für Menschen mit Autismus oft schwer verständlich. So wollte ich einem Jugendlichen mit Asperger-Syndrom, der ein Spiel noch nicht so recht durchschaut hatte und deshalb nicht mitmachte, in die Gruppe holen. Auf meine Frage „Willst du mit mir zusammen dieses Rätsel stellen?“ kam nach einem kurzen Innehalten ein klares „Nein!“. Er merkte nicht, dass ich ihm die „Hand reichen“ wollte, damit er in das Gruppengeschehen miteinsteigen kann. Ich hatte meine Frage zu unpräzise gestellt.

Gibt es eurer Erfahrung nach einen Unterschied zwischen Menschen im Autismus-Spektrum und Menschen mit Asperger Autismus?

Marie Mieklau: Wir konnten nicht bei allen Kindern und Jugendlichen mit Asperger Autismus, die wir besuchten, Spezialinteressen oder Inselbegabungen sehen. Was wir aber merkten, war ein Unterschied zwischen dem sozialen Verhalten von Mädchen und Buben. Wir beobachteten, dass die Mädchen über eine größere soziale Kompetenz verfügen. Vielleicht deshalb, weil in unsere Gesellschaft bei Mädchen mehr Aufmerksamkeit darauf gelegt wird, dass sie sich sozial einbringen.

Barbara Rebecka Asperger: Bei unseren derzeitigen Besuchen sehen wir, dass Kinder und Jugendliche mit Asperger Autismus teilweise nicht so frei ihre Emotionen zeigen, wie wir es bei Menschen erleben, die im Autismus Spektrum sind. Hier bekommen wir auf unser Tun ziemlich schnell eine Resonanz.

Was heißt das für eure Arbeit als Clowns?

Marie Mieklau: Alle, egal ob im Autismus-Spektrum oder mit Asperger Autismus, finden es schwierig auf dieselbe Art und Weise zu kommunizieren wie wir. Daher ist es wichtig, sie in ihrer Sinnlichkeit anzusprechen und so den Kontakt zu suchen. Zum Beispiel über Gegenstände, die sie sensorisch stimulieren. Sei es ein kleines Tierchen oder ein großer, schwerer Ball oder ein buntes, leichtes Tuch. Oder eine schöne, feine Feder, die man auf der Haut spüren kann, von der man den Wind fühlt, bei der die Farben ansprechen. Auf diese Art und Weise können wir als Clowns gut ins Spiel kommen.

Barbara Rebecka Asperger: Wichtig ist es gut hinzuspüren und abzutasten, ob unser Tun für diesen Menschen und in dieser Situation passt. Bei Kindern und Jugendlichen mit einer Wahrnehmungsbesonderheit heißt es noch aufmerksamer zu sein und auf ihre Reaktion zu achten.

Könnt ihr euch an eine besonders berührende Begegnung erinnern?

Barbara Rebecka Asperger: Wir haben eine Familie besucht, bei der ein Sohn im Autismus Spektrum ist. Wir waren für die ganze Familie da und sogar die Nachbarskinder sind zu unseren Besuchen dazugekommen. Als wir dann wieder weggefahren sind, sind die Kinder neben dem Auto hergelaufen und haben uns gewunken. Es war ein so schönes Bild von Freiheit, Herzlichkeit und Lebendigkeit. Beim zweiten Besuch ist der Bub mit Autismus auch mitgelaufen.

Marie Miklau: Eine junge Frau von Rainman‘s Home ist bei unseren Besuchen so aufgeregt, dass sie, wenn sie es überhaupt schafft in den Raum zu kommen, nur unter der Decke versteckt bleiben kann. Aber sie probiert es jedes Mal wieder aufs Neue und ist immer mit ihrer roten Schaumstoff-Clownnase bestens vorbereitet.

Welche Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Autismus besuchen ROTE NASEN?

Barbara Rebecka Asperger: Zu Beginn haben wir eine Familie besucht, wo der älteste Sohn im Autismus-Spektrum ist. In Salzburg besuchen wir beim Verein "Initiative Autismus“ zwei Gruppen von Burschen, die gemeinsam lernen sich auszudrücken, ihre Stimmungen aufzuzeigen und miteinander zu spielen.
Marie Miklau: Außerdem sind wir im Rainman’s Home, einer Tagesstätte in Wien für Jugendliche und junge Erwachsene. Dann besuchen wir auch eine Klasse der Allgemeinen Sonderschule Purkersdorf, in der fast ausschließlich Kinder mit Autismus unterrichtet werden.

Wie funktioniert die internationale Zusammenarbeit im Rahmen von ClowNexus?

Marie Mieklau: In Abständen kamen Clowns aus unterschiedlichen Mitgliedsländern in sogenannten Labors zusammen. Dort besprachen wir unsere Erfahrungen und tauschten uns aus. Es referierten auch unterschiedliche Expert*innen zur Thematik. So erfuhren wir, wie man mit Menschen im Spektrum gut arbeiten kann, was sie brauchen, was sie nicht brauchen. Wir improvisierten natürlich auch als Clowns, suchten Formate und schauten, worauf wir bauen können. Dieser internationale Austausch war sehr wertvoll.

https://clownexus.eu/ | ClowNexus ist kofinanziert durch das Programm Kreatives Europa der Europäischen Union.

Fotos von Clownbesuch copyright Niko Havranek

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