Begegnungen auf Herzensebene
- Clowns im Einsatz
ROTE NASEN Clowns sind auch in geriatrischen Einrichtungen unterwegs. Die langjährige ROTE NASEN Clownin Almut Engler alias Clownin Lila Lotte erzählt von ihren berührenden Erfahrungen mit älteren Menschen und der Bedeutung der regelmäßigen Clownbesuche im geriatrischen Bereich.
Eine besondere Begegnung...
war zum Beispiel die mit Peter, den wir über mehr als zehn Jahre besucht haben und bei dem wir verschiedenen Stadien der Demenz miterlebt haben. Am Anfang war er immer hoch erfreut, wenn die Clown*innen einspazierten. Er machte so viele Späße mit uns und liebte es, uns zu necken und mit uns zu lachen.
Dann wurde er immer stiller, saß nur mehr ruhig in seinem Stuhl im Aufenthaltsraum und freute sich immer, wenn wir das Lied „Kommt ein Vogel geflogen“ anstimmten, denn da sang er dann mit. Und das gemeinsame Singen lies das Leben wieder in ihn einfließen, das war deutlich zu spüren.
In den letzten Jahren besuchte ich ihn regelmäßig in seinem Zimmer, er kam aus seinem Bett nicht mehr heraus. Er sprach so gut wie nichts mehr, außer an besonderen Tagen, wenn Lila Lotte ihm vom Krämerladen in Tirol erzählte, in dem er viele Jahre seines Lebens gearbeitet hatte. Lila Lotte wusste noch genau, dass die „Stollwerkschachtel“ neben der Kassa stand, und dass er so liebevoll immer Wurstsemmeln mit oder ohne Essiggurkerl richtete. Und an guten Tagen erinnerte er sich ganz genau, dass eine Wurstsemmel ohne Gurkerl fünf Schilling kostete.
Seine Tochter war sehr überrascht und berührt, als sie uns einmal in so einem Gespräch antraf. Sie hatte Tränen in den Augen, denn sie hatte ihn seit Monaten nicht mehr sprechen gehört. Und ich sah in diesen Momenten das Blitzen in seinen Augen, dass wir so gut von früher kannten und das beim Erinnern an den Krämerladen in ihm aufkam. An solchen Tagen konnte es dann sogar sein, dass er bei der dritten Wiederholung seines Lieblingsliedes im Zeitlupentempo „hat ein Brieflein im Schnabel, von der Mutter einen Gruß“ mitsang.
Frau S., die keine Angehörigen in Österreich hatte...
ist mir auch in Erinnerung geblieben. Sie hatte viele Jahre in Schweden gelebt und ihre Kinder lebten immer noch dort. Sie hatte nie Besuch, bis auf einmal im Jahr, wenn ihre Tochter aus Schweden kam und einmal die Woche, wenn die Clown*innen herein tanzten. Sie konnte nicht mehr sprechen, aber ihre Augen zeigten uns genau, was in ihr vorging. Das Lied bei dem die eigentlich als stumm geltende Frau bis ans Ende ihres Lebens mit sang - wenn die Clown*innen langsam genug sangen - war das Lied vom lustigen „Zigeunerleben“.
Ich lernte später speziell für Frau S. zwei schwedische Kinderlieder. Wenn Lila Lotte diese Lieder sang, dann waren die Augen von Frau S. weit offen und über die linke Wange rollte jedes Mal eine Träne der Berührtheit. Frau S. war eine der wenigen Patient*innen von denen ich mich richtig verabschieden konnte.
Liegt eine Person, zu der wir Clown*innen bereits eine schöne Verbindung aufgebaut haben im Sterben, kann es ein wunderschönes Geschenk für den sterbenden Menschen sein, noch einen letzten Clown*innen-Besuch zu bekommen. Ich erlebe es als eine Art Schnittstelle zwischen Leben und Tod, an dem beide Pole gemeinsam erlebt werden dürfen und heilsam zusammengeführt werden. Ein Moment, wo der Tod zum Leben gehören darf und das Leben zum Tod. Bei Frau S. war es diese Art von Begegnung: Lila Lotte, die noch einmal Frau S.´s Lieblingslieder singt, ihre Hand hält und dann einen guten Moment mit der ihr innewohnenden Lebensfreude in die offenen, tief berührten Augen der sterbenden Frau blickt.
Wir haben uns über die Jahre in so viele Herzen gespielt...
... so viel Lebendigkeit und Emotionen ermöglicht, so viele Brücken gebaut und so viel Lächeln auf Lippen gezaubert. Nicht nur einmal bekamen wir das Feedback, dass in einem Zimmer, bei einem alten Menschen, der fast keine Regungen mehr zeigte, nach unserem Besuch ein Lächeln auf den Lippen zu sehen war, das über längere Zeit geblieben ist. Es gibt kein schöneres Feedback für mich als Clownfrau als ein solches.
*Die Fotos in diesem Beitrag sind Archiv-Fotos und vor dem Ausbruch der Covid-19 Pandemie entstanden. ROTE NASEN halten sich an alle gesetzlich vorgeschriebenen Abstands-, und Hygienebestimmungen.